Prags Ursprünge: Die Besiedlung durch slawische Stämme und die Gründung der tschechischen Hauptstadt

Die Besiedlung des Gebiets um die heutige Stadt Prag und die spätere Gründung der tschechischen Hauptstadt sind tief in der Geschichte der slawischen Völker verwurzelt. Dieser Prozess erstreckte sich über mehrere Jahrhunderte, geprägt von Wanderungen, politischen Entwicklungen und kulturellen Transformationen. Prag, das Herzstück Böhmens, entwickelte sich aus einfachen Siedlungen zu einem bedeutenden Zentrum der slawischen Kultur und zu einer der prächtigsten Städte Mitteleuropas.

1. Die Ankunft der Slawen im Gebiet von Böhmen

Die slawischen Stämme begannen im 6. Jahrhundert n. Chr. das Gebiet des heutigen Böhmens zu besiedeln. Dieser Prozess war Teil der sogenannten Völkerwanderung, einer Epoche, die durch massive Wanderungsbewegungen verschiedener Völker in Europa gekennzeichnet war. Die Slawen kamen aus dem Osten, vermutlich aus der Region um den heutigen Dnepr-Fluss, und breiteten sich in verschiedene Richtungen aus, wobei ein Zweig in das Gebiet des heutigen Tschechiens vordrang.

Zu den ersten slawischen Siedlern im Gebiet Böhmens gehörten die Tschechen (Čechové), ein westslawischer Stamm, der sich nach und nach in der Region niederließ. Die Slawen errichteten ihre ersten Siedlungen vorwiegend entlang der Flüsse, die ihnen eine gute Lebensgrundlage boten. In Böhmen waren es vor allem die Flüsse Moldau (Vltava) und Elbe (Labe), die eine zentrale Rolle bei der Besiedlung spielten. Das wasserreiche Gebiet bot fruchtbare Böden für den Ackerbau und reichlich Jagdwild sowie Fischfangmöglichkeiten.

Die Siedlungen der Slawen waren zu Beginn kleine Dörfer aus Holz- und Lehmhütten, die oft an strategisch günstigen Orten, wie auf Hügeln oder in der Nähe von Wasserläufen, errichtet wurden. Diese frühen Siedlungen bildeten die Basis für die spätere Entwicklung größerer Zentren und Burgen.

2. Die Legende von Libuše und die Gründung Prags

Eine der bekanntesten Legenden über die Entstehung der Stadt Prag ist die Geschichte der Fürstin Libuše, die als mythische Ahnin des tschechischen Volkes gilt. Nach der Legende war Libuše die weise Tochter eines slawischen Herrschers und die Herrscherin des slawischen Stammes der Přemysliden, der später das Königreich Böhmen regierte.

Libuše soll auf einer Klippe über dem Fluss Moldau gestanden und die Gründung einer großen Stadt prophezeit haben. Sie zeigte auf eine Stelle am gegenüberliegenden Ufer und sagte: „Ich sehe eine große Stadt, deren Ruhm die Sterne erreichen wird.“ Auf dieser Stelle, so die Legende, ließ Libuše eine Festung erbauen, die später zum Prager Burgberg (Hradschin) werden sollte. Die Stadt, die um diesen Ort wuchs, erhielt den Namen Praha (Prag). Der Name „Praha“ leitet sich möglicherweise vom tschechischen Wort „práh“ ab, was „Schwelle“ bedeutet – ein Hinweis auf die Schwelle der Burg oder die Furt über den Fluss Moldau.

3. Die Entstehung der ersten Siedlungen

Im 7. und 8. Jahrhundert n. Chr. begann sich das Gebiet um Prag stärker zu entwickeln. Es entstanden mehrere kleine slawische Siedlungen, die sich auf beiden Seiten der Moldau erstreckten. Zu den bedeutendsten frühen Siedlungen gehörten Bubeneč, Podbaba und Butovice, die alle im heutigen Prager Stadtgebiet liegen. Diese Siedlungen entwickelten sich zu bedeutenden Handels- und Handwerkszentren, da die Nähe zur Moldau den Fluss als Transport- und Handelsweg nutzbar machte.

4. Die Rolle der Prager Burg

Die Prager Burg, die auf einem Hügel über der Moldau errichtet wurde, entwickelte sich zu einem wichtigen Machtzentrum. Ursprünglich war sie eine hölzerne Festung, die später durch steinerne Befestigungen ersetzt wurde. Die strategische Lage auf dem Hügel bot Schutz und Kontrolle über die Umgebung. Die Prager Burg wurde zum Sitz der Přemysliden-Dynastie, die als erstes bedeutendes Herrschergeschlecht Böhmens die Region dominierte. Im 9. Jahrhundert wurde die Burg zu einem festen Zentrum der politischen und wirtschaftlichen Macht in Böhmen ausgebaut.

Im Umfeld der Burg entstanden nach und nach mehrere kleinere Siedlungen, die zu wichtigen Stadtteilen der späteren Stadt Prag wurden. Dazu gehörten das Altstädter Gebiet (Staré Město), das sich um die Moldau erstreckte, und die Kleinseite (Malá Strana), die zu Füßen des Hradschins lag.

5. Die Christianisierung Böhmens und der Bau von Kirchen

Mit der Festigung der slawischen Herrschaft in Böhmen begann im 9. Jahrhundert die Christianisierung des Landes. Das Christentum kam vor allem durch die Bemühungen der Großmährischen Missionare, wie den Heiligen Cyrill und Method, in die Region. Sie brachten das Christentum zu den slawischen Stämmen und entwickelten das Altkirchenslawische als liturgische Sprache, was die Verbreitung der christlichen Lehre unter den Slawen erleichterte.

Die Přemysliden nahmen das Christentum an und förderten den Bau der ersten Kirchen und Klöster in Prag. Eine der bedeutendsten frühen Kirchen war die St.-Georgs-Basilika auf dem Gelände der Prager Burg, die im 10. Jahrhundert errichtet wurde. Mit dem Aufstieg der christlichen Kultur gewann die Prager Burg weiter an Bedeutung und wurde zum religiösen Zentrum Böhmens.

6. Die Entwicklung Prags als Handelszentrum

Bereits im frühen Mittelalter entwickelte sich Prag zu einem wichtigen Handelszentrum in Mitteleuropa. Durch die günstige Lage an der Moldau und die Verbindungen zu den umliegenden Handelswegen wurde Prag zu einem bedeutenden Umschlagplatz für Waren aus dem Osten und Westen. Händler aus verschiedenen Regionen, darunter Slawen, Deutsche und Juden, siedelten sich in Prag an und trugen zur wirtschaftlichen Blüte der Stadt bei.

Die Bedeutung von Prag als Handelsplatz wuchs stetig, insbesondere durch den Handel mit Salz, Getreide, Pelzen und Stoffen. Der Marktplatz in der Altstadt entwickelte sich zu einem der wichtigsten Handelszentren der Region, und es entstand eine reiche Bürgerschicht, die die Entwicklung der Stadt weiter vorantrieb.

7. Die Gründung der Prager Altstadt und Neustadt

Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung und dem Bevölkerungswachstum im 12. und 13. Jahrhundert wuchs Prag über die Grenzen der ursprünglichen Siedlungen hinaus. Die Altstadt (Staré Město) entwickelte sich zu einem dicht besiedelten urbanen Zentrum, das von einer Stadtmauer umgeben war. Hier entstanden prächtige Bürgerhäuser, Kirchen und Klöster, die das Bild der Stadt prägten.

Im 14. Jahrhundert wurde auf Initiative von Kaiser Karl IV. die Prager Neustadt (Nové Město) gegründet, die die Stadt vergrößerte und modernisierte. Karl IV., ein bedeutender Herrscher des Heiligen Römischen Reiches und König von Böhmen, machte Prag zu seiner Residenzstadt und förderte den Bau zahlreicher neuer Kirchen, Brücken und Paläste. Besonders hervorzuheben ist die Karlsbrücke, die Karl IV. als Verbindung zwischen Altstadt und Kleinseite bauen ließ und die heute als eines der berühmtesten Wahrzeichen Prags gilt.

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