Ein Ort zwischen Legende und Geschichte
Mitten im ehemaligen jüdischen Viertel Josefov erhebt sich eines der bedeutendsten Bauwerke Prags – die Altneu-Synagoge (Staronová synagoga). Sie wurde um das Jahr 1270 errichtet und ist damit die älteste noch genutzte Synagoge Europas. Seit mehr als 750 Jahren finden hier ununterbrochen Gottesdienste statt. Kein anderes Gebäude symbolisiert die lange und wechselvolle Geschichte der jüdischen Gemeinde Prags so eindrucksvoll wie dieses Meisterwerk der Frühgotik.
Adresse: Červená 2, 110 01 Prag 1 (Josefov)
Architektur im Zeichen der Frühgotik
Der Bau der Altneu-Synagoge fiel in eine Zeit, in der der gotische Stil gerade in Mitteleuropa Einzug hielt. Auffällig ist die zweischiffige Halle – eine für Synagogen jener Zeit äußerst seltene Bauform. Zwei mächtige achteckige Pfeiler tragen das fünfteilige Rippengewölbe, das an den Baustil frühgotischer Kathedralen erinnert.
Die Wände sind schlicht, aber kraftvoll – das Auge wird zum Zentrum des Raumes, zur Bima, geführt. Dort steht das Lesepult, von dem die Tora gelesen wird. Darüber hängt eine historische Fahne aus dem Jahr 1716, auf der das Prager Stadtwappen zusammen mit dem Davidstern zu sehen ist. Diese Fahne ist ein Symbol für das jahrhundertelange Zusammenleben jüdischer und christlicher Bürger in der Stadt.
Im Inneren ist die Atmosphäre einzigartig: das gedämpfte Licht, der Geruch von altem Holz und Stein, das Spiel der Schatten – all das lässt die Jahrhunderte spürbar werden.
Legenden um den Golem von Prag
Kaum ein Ort ist so eng mit jüdischen Legenden verbunden wie die Altneu-Synagoge. Hier soll der Golem des Rabbi Judah Loew ben Bezalel, des berühmten Gelehrten aus dem 16. Jahrhundert, erschaffen worden sein. Der Legende nach liegt der Golem noch heute auf dem Dachboden der Synagoge verborgen – eine stille Wache über das jüdische Prag.
Ob Mythos oder Wahrheit – die Geschichte des Golems ist längst Teil der Prager Identität und zieht Besucher aus aller Welt an, die diesen geheimnisvollen Ort mit eigenen Augen sehen wollen.
Die Synagoge als Herz des jüdischen Lebens
Über Jahrhunderte hinweg war die Altneu-Synagoge das spirituelle und soziale Zentrum der jüdischen Gemeinde. Trotz Verfolgung, Pogromen und Bränden blieb das Gebäude weitgehend unversehrt. Während der nationalsozialistischen Besatzung im Zweiten Weltkrieg wurde sie nicht zerstört – ein seltener Glücksfall in der europäischen Geschichte.
Heute ist die Synagoge Teil des Jüdischen Museums Prag, wird aber weiterhin regelmäßig für Gebete genutzt. Sie ist damit ein lebendiges Zeugnis jüdischer Kontinuität – ein Ort, an dem sich Geschichte und Gegenwart berühren.
Besuch und Besichtigung
Die Altneu-Synagoge befindet sich im Herzen des Viertels Josefov, nur wenige Schritte von der Maisel-Synagoge, dem Jüdischen Friedhof und dem Altstädter Ring entfernt. Ein Besuch lässt sich perfekt mit einem Rundgang durch das gesamte jüdische Viertel verbinden.
Hinweise für Besucher:
- Beim Betreten ist angemessene Kleidung erforderlich (Kopfbedeckung für Männer).
- Fotografie ist im Innenraum in der Regel nicht erlaubt.
- Ein Besuch im Rahmen einer kombinierten Führung durch das Jüdische Museum bietet den besten Überblick.
- Die Synagoge ist auch heute ein aktives Gotteshaus, weshalb an Sabbat und Feiertagen keine touristischen Besichtigungen möglich sind.
Tipp:
Ein Besuch am Vormittag oder in den frühen Nachmittagsstunden lohnt sich besonders, wenn das Licht durch die gotischen Fenster fällt und das Innere in einen geheimnisvollen Glanz taucht.
Rund um die Altneu-Synagoge
In unmittelbarer Nähe liegen zahlreiche weitere historische Orte des jüdischen Erbes:
- Jüdischer Friedhof – einer der ältesten Europas mit über 12.000 Grabsteinen.
- Maisel-Synagoge – mit einer Ausstellung zur Geschichte der Juden in Böhmen.
- Pinkas-Synagoge – Gedenkstätte für die Opfer des Holocaust.
- Klausen-Synagoge – einst eine der größten Gebetshäuser Prags.
Gemeinsam bilden sie ein einzigartiges Ensemble, das tief in die Geschichte und Kultur des alten Prager Ghettos eintauchen lässt.