Funktionale Moderne trifft Prager Industriegeschichte
Die Libeň-Brücke (tschechisch: Libeňský most) verbindet die Stadtteile Holešovice und Libeň im Nordosten Prags und gehört zu den weniger bekannten, aber architektonisch bedeutenden Moldaubrücken. Sie ist die einzige kubistische Brücke Tschechiens – ein Unikat aus Beton und Funktionalität, entstanden in einer Zeit des städtebaulichen Aufbruchs.
Auch wenn sie nicht zu den klassischen Postkartenmotiven gehört, ist sie ein spannender Ort für Architekturfans, Stadtwanderer und Prag-Kenner. Sie erzählt von Industrie, Moderne und dem Prag abseits des touristischen Zentrums.
Eine Brücke der Zwischenkriegszeit
Die Libeň-Brücke wurde zwischen 1924 und 1928 erbaut und ist ein Werk des Architekten Pavel Janák, einem der führenden Vertreter des tschechischen Kubismus und Funktionalismus. Janák kombinierte klare geometrische Formen mit funktionalem Betondesign – eine kühne Idee für eine Verkehrsbrücke in einer damals stark industrialisierten Gegend.
Der Bau entstand im Kontext der rapiden Urbanisierung und Industrialisierung Prags in den 1920er-Jahren. Ziel war eine moderne, langlebige Verbindung zwischen dem Arbeiter- und Hafenviertel Libeň und dem florierenden Industriequartier Holešovice.
Technische Daten und Besonderheiten
Merkmal | Info |
---|---|
Gesamtlänge | ca. 780 Meter (inkl. Zufahrten) |
Hauptspannweite | ca. 29 Meter |
Bauzeit | 1924–1928 |
Baustil | Funktionalismus mit kubistischen Elementen |
Material | Stahlbeton |
Nutzung | Auto-, Straßenbahn-, Fuß- und Radverkehr |
Die Brücke besteht aus mehreren Segmenten und Vorbrücken, da sie nicht nur die Moldau, sondern auch Nebenarme und Industrieflächen überquert. Besonders auffällig sind die massiven Pfeiler, die schräg verlaufenden Brüstungen und die insgesamt wuchtige, blockhafte Erscheinung – ganz im Sinne des kubistisch inspirierten Funktionalismus.
Nutzung im Alltag
Die Libeň-Brücke ist eine wichtige Verkehrsader im Norden Prags. Täglich fahren hier Straßenbahnen, Autos und Busse zwischen Holešovice, Karlín und Libeň. Fußgänger und Radfahrer nutzen die Brücke vor allem als direkte Verbindung zwischen den Wohn- und Gewerbegebieten beider Seiten.
Die Strecke gehört dabei nicht zu den landschaftlich schönsten, hat aber einen ganz eigenen, urban-industriellen Charme – besonders spannend für alle, die das Prag abseits der Altstadt erleben wollen.
Erhalt oder Neubau?
Die Libeň-Brücke ist seit Jahren Gegenstand öffentlicher Debatten: Ihr technischer Zustand ist kritisch, und es gibt intensive Diskussionen über Abriss, Sanierung oder Rekonstruktion. Viele Fachleute und Architekturliebhaber fordern den Denkmalschutz und eine denkmalgerechte Restaurierung, da die Brücke ein einmaliges Beispiel funktionalistischer Architektur im Brückenbau darstellt.
Die Stadt Prag plant eine schrittweise Erneuerung – mit dem Ziel, die historische Form zu erhalten, aber die Tragfähigkeit den Anforderungen des modernen Verkehrs anzupassen.
Tipps für deinen Besuch
- Architektur erleben: Achte auf Details wie die kubisch gestalteten Brüstungen, Treppenabgänge und Geländer – typische Handschrift von Pavel Janák.
- Stadtviertel erkunden: Nutze die Brücke für einen Spaziergang durch Libeň, mit seinen alten Hafenanlagen und modernen Wohnprojekten, oder weiter nach Holešovice, einem der kreativsten Bezirke Prags.
- Streetlife & Fotografie: Besonders bei Sonnenuntergang ergeben sich spannende Kontraste zwischen Himmel, Beton und Industrie – perfekt für urbane Fotografie.
Die Brücke als Symbol für den Wandel Prags
Die Libeň-Brücke steht wie kaum ein anderes Bauwerk für die Verwandlung Prags im 20. Jahrhundert – von der kaiserlichen Residenzstadt zur industriellen Metropole. Sie verbindet nicht nur zwei Moldauseiten, sondern auch Vergangenheit und Gegenwart, Funktionalismus und Kunst, Industriegeschichte und Stadtentwicklung.
Wenn du ein Gefühl für das moderne, echte Prag bekommen willst – und dabei abseits der typischen Sehenswürdigkeiten unterwegs sein möchtest – ist die Libeň-Brücke ein Ort, den du nicht auslassen solltest.