Ein Renaissancepalais mit politischer Brisanz
Am Malostranské náměstí, dem Herzen der Kleinseite (Malá Strana), erhebt sich eines der bedeutendsten, aber zugleich unauffälligsten Bauwerke Prags: das Smiřický-Palais (Palác Smiřických). Hinter seiner eleganten Fassade verbirgt sich ein Ort, an dem Geschichte geschrieben wurde – und zwar jene, die ganz Europa erschütterte.
Adresse: Malostranské náměstí 6/18, 118 00 Prag 1 – Malá Strana
Ein Adelssitz mit Macht und Einfluss
Das Palais wurde im 16. Jahrhundert vom mächtigen Geschlecht der Smiřický erbaut. Jaroslav I. Smiřický ze Smiřic ließ hier 1573 ein herrschaftliches Wohnhaus errichten, das später von seinem Nachkommen Zikmund Smiřický erweitert und prachtvoll ausgestattet wurde. Schon damals galt die Familie als eine der reichsten und einflussreichsten Adelsdynastien Böhmens.
Das Gebäude zeigt sich als repräsentativer Renaissancepalast mit vier Flügeln um einen Innenhof und markanten polygonalen Ecktürmen – eine für Prag ungewöhnliche Architekturform. Später kamen barocke Elemente hinzu, die dem Palais seine heutige Eleganz verliehen.
Der Ort, an dem der Dreißigjährige Krieg begann
Ein entscheidender Moment der europäischen Geschichte nahm genau hier seinen Anfang: Am 22. Mai 1618 versammelten sich im Smiřický-Palais böhmische Stände, um über den Widerstand gegen den Habsburgerkönig Ferdinand II. zu beraten. Wenige Tage später kam es im benachbarten Königspalast zum sogenannten „Zweiten Prager Fenstersturz“ – dem symbolischen Akt, der den Dreißigjährigen Krieg auslöste.
Damit war das Smiřický-Palais nicht nur Schauplatz eines politischen Treffens, sondern gewissermaßen der Zündfunke eines Konflikts, der weite Teile Europas verwüstete.
Von Adelsresidenz zum Parlamentsgebäude
Nach dem Niedergang der Familie Smiřický wechselte das Palais mehrfach den Besitzer, unter anderem befand es sich im Besitz der Familie Montág. Im 18. Jahrhundert wurde es barock umgestaltet, wobei der Architekt Josef Jäger die Fassade und das Innere modernisierte.
Ab dem 19. Jahrhundert nutzte der Landtag des Königreichs Böhmen (Zemský sněm) das Gebäude – und bis heute ist es ein Zentrum der tschechischen Politik: Das Smiřický-Palais gehört heute zum Komplex des Abgeordnetenhauses des Parlaments der Tschechischen Republik (Poslanecká sněmovna Parlamentu České republiky).
Zwischen 1993 und 1996 wurde das gesamte Bauwerk umfassend restauriert, um den historischen Charakter zu bewahren und gleichzeitig moderne Regierungsnutzung zu ermöglichen.
Ein unscheinbarer, aber geschichtsträchtiger Ort
Das Smiřický-Palais ist nicht öffentlich zugänglich – es beherbergt Büros und Sitzungsräume des Parlaments. Dennoch lohnt sich ein Abstecher zum Malostranské náměstí, um die eindrucksvolle Fassade und die historische Atmosphäre zu erleben.
Von hier aus hast du auch kurze Wege zu anderen Sehenswürdigkeiten der Kleinseite: zur Kirche des Heiligen Nikolaus (Kostel sv. Mikuláše), zum Nerudova-Viertel, zur Prager Burg (Pražský hrad) oder zur Karlsbrücke (Karlův most).
Wer den Ort im richtigen Licht fotografieren will, sollte früh am Morgen oder in der goldenen Stunde vorbeischauen – dann liegt der Platz in warmem, weichem Licht und vermittelt die Ruhe, die dieser geschichtsträchtige Ort verdient.